Am frühen Morgen gleiten wir durch die Gerlache Strait in Richtung Wilhelmina Bay. «Wilhelmina» sagt mir nicht viel, aber seit heute verbindet sich dieser Name mit dem Begriff Wal-Sensation!
Schon beim Einlaufen in die Bay ist klar, dass das ein ganz besonderer Tag wird, denn wir sichten vom Schiff aus nicht – wie üblich – einen Wal, sondern gleich mehrere Gruppen. Und das Ungewöhnliche: Diese Buckelwale cruisen nicht einfach rum, sondern jagen nach Krill. Das tun sie, indem sie jeweils in Dreiergruppen abtauchen und dann von unten her mit geöffnetem Maul nach oben stossen und dabei Millionen dieser kleinen Krebse (Krill) und anderes Planktonfutter vertilgen.
Das Beobachten dieser Humpback-Wale in Aktion ist schon vom Mutterschiff aus hoch spannend, aber das Beste steht uns noch bevor: Unsere 10 Zodiacs (Gummiboote) werden ins Wasser gelassen, und wir erhalten so die Gelegenheit, uns den Walen hautnah zu nähern.
Das Wetter ist zwar ziemlich unfreundlich – keine Sonne und die Temperatur um den Gefrierpunkt – aber niemand merkt, wie kalt es unter diesen Umständen im Zodiac sein kann, wo man sich kaum bewegt. Die Aufregung, mitten in diesen Walen zu stecken, erzeugt mehr als genug Adrenalin, das den Körper aufheizt. «Walbeobachtung» heisst normalerweise «Wal-Suche», aber diesmal ist alles anders: Es sind mindestens 15 Wale, die rund um unsere Zodiacs jagen, fünf Gruppen zu je drei Tieren. Extrem spannend sind die Momente, in denen die Tiere nicht zu sehen sind, denn das bedeutet, dass sie irgendwo unter uns sind, nur, wo genau? Unter meinem Zodiac?
Plötzlich sieht man neben dem Gummiboot Blasen aufsteigen, Bubbles, und man ahnt: Gleich werden die Riesen hier auftauchen, ein paar Meter neben dir – was für eine Spannung! Und dann schiessen die drei Monsterköpfe durch die Meeresoberfläche, einer nach dem anderen, manchmal auch gleichzeitig. Was für ein bewegender Moment!
Unwillkürlich stellt man sich die Frage, was wäre, wenn einer dieser Kolosse das winzige Gummiboot treffen würde beim Auftauchen – aber diese Gedanken verfliegen rasch wieder, weil man weiss, mit welcher Präzision diese Tiere sich im Wasser bewegen. Und weil man schnell merkt, wie friedfertig sie sind und den Menschen nicht attackieren, obwohl ihnen dieser Jahrhunderte lang das Leben zur Hölle gemacht hat. Zum Glück sind diese gutmütigen Tiere nicht nachtragend...
Buckelwale können bis zu 48 Tonnen wiegen und 15 Meter lang werden, die Weibchen noch etwas mehr. Ein Buckelwalbaby ist bei Geburt etwa 4 Meter lang und wiegt bereits eineinhalb Tonnen.
Buckelwale wurden so lange bejagt, bis sie fast ausgerottet waren. Sie waren sehr einfach zu erlegen, weil sie sich bevorzugt in Küstengewässern aufhalten und relativ langsam schwimmen (ca. 10 km/h). Das grosse Abschlachten hörte erst auf, als sich der Walfang (erst ab Mitte des 20. Jahrhunderts!) finanziell nicht mehr lohnte, weil es kaum noch Tiere gab.
Theoretisch könnten sich jetzt die Bestände wieder erholen, aber das tun sie viel langsamer, als man erwartet hat, denn in der Regel bringen die Buckelwale nur alle zwei Jahre nach einer Tragezeit von 12 Monaten ein Junges zur Welt. An natürlichen Feinden kennen sie (neben dem Menschen) nur noch den so genannten
«Killerwal», den Orca.
Fritz Kleisli, 2011