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Reisebericht Grönland


Menschenleeres Ost-Grönland


Grönland ist mit über 2 Millionen Quadrat-kilometern rund 50mal (!) grösser als die Schweiz, zählt aber bloss 60'000 Einwohner. Und diese haben sich fast ausschliesslich an der Westküste von Grönland niedergelassen – die Ostküste ist beinahe menschenleer. Warum?


Die «grösste Stadt» Ostgrönlands zählt gerade mal 1900 Einwohner: Sie heisst Tasiilaq und liegt ganz nahe am Polarkreis (66 Grad nördlicher Breite). Sie ist relativ einfach zu erreichen: Ein 100-Minuten-Flug ab Reykjavik (Island) bringt die Touristen nach Kulusuk. Dort gibt es einen primitiven Flugplatz, auf welchem die zweimotorige Fokker-50-Turbopropmaschine problemlos landen kann.

Die Natur-Flugpiste stammt noch aus dem Zweiten Weltkrieg; sie wurde von den Amerikanern erbaut und diente als wichtiger Zwischenstopp bei der Versorgung der Truppen in Europa durch die Luft. Vom «Airport Kulusuk» gehts im Helikopter weiter nach Tasiilaq; ein kurzer, aber höchst attraktiver Flug mit sensationeller Sicht über die Inseln und die mit Eisbergen durchzogenen Buchten.


Die Eisverhältnisse an der Ostküste sind der Grund, warum es hier so wenig Menschen gibt. Seit Tausenden von Jahren strömt Eis aus dem nördlichen Polarbecken (vom Nordpol) in südlicher Richtung. Gewaltige Brocken von Treibeis und Eisbergen blockieren die Ostküste, sodass diese mit Schiffen kaum erreichbar war.

Zwar schafften es einzelne Eskimos im 14./15. Jahrhundert, diese Gegend zu erreichen, aber die kleinen Populationen hatten einen schweren Stand. Immer wieder wurden sie durch Krankheiten dezimiert. Erst 1884 gelang es einer dänischen Expedition, im Bereich des heutigen Tasiilaq – bei der Inselgruppe Angmagssalik – Fuss zu fassen; 1894 wurde dann die «Trading and Mission Station of Angmagssalik» gegründet, was zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen für die Einheimischen führte. Bis 1914 hatte sich die Population bei 600 stabilisiert.


Trotz der christlichen Missionarstätigkeit war der europäische Einfluss bei den Eskimos sehr gering, ganz im Gegensatz zu der Entwicklung an der Westküste, wo eine «europäische» Station nach der anderen entstand. Die heutige Hauptstadt von Grönland liegt an der Westküste. Sie heisst Nuuk und zählt rund 15'000 Einwohner.

Auch hier haben sich die
Zeiten geändert


Wer heute als Tourist Tasiilaq besucht, bekommt kaum noch einen Eindruck vom harten Leben, dass die Einheimischen früher hier hatten. Man kann sich zwar «vorstellen», wie brutal das Leben im Winter bei 20-stündiger Dunkelheit und Eiseskälte hier sein muss, aber ein Besuch im Sommer bietet eher das Bild einer hübschen skandinavischen Ferienhaussiedlung mit putzigen, farbigen und gepflegten Häuschen. Und obwohl man die Menschen vom Schlag her als Eskimos* erkennt, sind sie von uns Westlern kaum zu unterscheiden. Sie tragen Bluejeans, fahren ihre 4x4-Toyotas und haben das Handy am Ohr. Und unsere Hoffnung, jemanden beim Robbenfang zu erleben, zerschlug sich schnell. Wir haben keine einzige Robbe gesehen, zumindest keine lebende. Immerhin fanden wir einmal vor einem Haus einen grossen Trog voller Robbenfleisch, das zur Verfütterung an die Hunde bestimmt war.

Fischfang und Robbenjagd gehören natürlich hier zum Geschäft, aber wohl eher zur Selbstversorgung, denn eine Fischfabrik gibt es in Tasiilaq nicht – und auch sonst keine Produktionsstätte für irgend etwas, das man exportieren könnte.

Dafür beginnt der Tourismus als Einnahmequelle eine gewisse Rolle zu spielen. Es gibt zwei, drei Hotels in Tasiilaq; für Ausflüge zu den Eisbergen vor der Küste stehen Boote zur Verfügung; und in einer Werkstatt für einheimisches Schaffen werden Souvenirs für die Touris gebastelt. Geheimnisvolle Figürchen rund um den «Geist des Mondes», der eine Trommel schägt. Und Stofftierchen, nein, eben nicht aus Stoff, sondern aus echtem Robbenfell.


*Ach ja, falls sich jemand an der Bezeichnung «Eskimos» stören sollte, die heute ja politisch korrekt «Inuit» genannt werden sollen: Im offiziellen Guide von Angmagssalik spricht man noch immer stolz von Eskimos. So beleidigend kanns also nicht sein...

Fritz Kleisli, Juni 2011




>Fotogalerie


Riesige Eisberge an der Ostküste Grönlands
Tasiilaq
Im Helikopter über Angmagssalik
Kulusuk