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Reisebericht Persischer Golf, Arabische Emirate


Die schlauen Wüstensöhne


Sie bauen in den Himmel, sie entwickeln auf dem Meer ganze Städte, sie setzen auf HighTech und streiten um die Wette, wer die höchsten, prächtigsten und kostspieligsten Prunkbauten besitzt, wer die exklusivsten Luxuskarossen fährt. Nichts ist ihnen zu teuer, den modernen Wüstensöhnen.

Dabei lebten ihre Grossväter noch vor einem halben Jahrhundert in Hütten aus Palmblättern und verdienten ihren Lebensunterhalt als Fischer, Schafhirten oder Perlentaucher. Heute beherrschen sie mit ihrer Finanzkraft die halbe Welt.

Wie war das nur möglich? Es ist ein Märchen aus 1001 Nacht. Für die Wüstensöhne dürfte es sich jedenfalls so anfühlen. Denn eigentlich mussten sie ziemlich wenig zu ihrem märchenhaften neuen Leben beitragen. Es war der heutzutage so ungeliebte Westen, aus dem ihre Flaschengeister kamen. In Form von Kolonialisten, die nach Öl buddelten. Und die Wüstensöhne waren schlau genug, sie weiter buddeln und buddeln zu lassen, bis alle Quellen erschlossen waren – auf ihrem Land. Dann schickten sie die Kolonialisten nach Hause. Natürlich dürfen die westlichen Ölfirmen noch heute im Sandkasten buddeln, aber letztlich kaufen sie das Öl den Wüstensöhnen ab. Und so fliessen tagtäglich Millionen und Milliarden von Dollars, englischen Pfund und Euros in die Kasse der Wüstenkönige und Sultane. Ganz schön schlau.

Und selbst wenn der Westen endlich erwachen, neue Energien entwickeln und aufs Petrol verzichten würde, so wäre das kein Problem für die Wüstenstaaten, denn die neuen Märkte in Asien, vor allem China und Indien, sind eben erst erwacht und nehmen jeden Tropfen Öl, den sie kaufen können, und das erst noch bei laufend steigenden Preisen. Das Geld wird den Wüstensöhnen also über Generationen hinweg nicht ausgehen. Es heisst zwar, dass die Ölquellen irgendwann einmal erschöpft sein könnten, so in 30 bis 50 Jahren. Wers glaubt. Denn diese magischen Zahlen hörte ich zum ersten Mal in meiner Schulzeit, und die liegt nun schon gut 50 Jahre zurück...

Wohlstand für alle

Die Schlauheit der modernen Wüstensöhne manifestiert sich aber nicht nur im geschickten Umgang mit dem schwarzen Gold. Sie haben auch erkannt, dass es sich lohnt, das Volk am Reichtum teilhaben zu lassen. Denn Wohlstand für alle bringt Stabilität: Ein gesättigtes Volk denkt nicht daran, seinen König zu stürzen. Hier heisst er «Scheich», und gerne lässt er sich als Vater anreden – als gütigen Vater. Für die einheimischen Emiratis ist er das tatsächlich, denn jeder bekommt einen guten Job, die Schulen sind gratis, das Benzin billig, Steuern werden keine erhoben. Es gibt weder Armenviertel noch Slums, die Kriminalität ist sehr gering – alles in allem ein gutes Leben.

Für die Millionen von Gastarbeitern siehts allerdings nicht so rosig aus. Sie haben wenig Rechte, sie arbeiten alle auf Zeit (meist in 3-Jahres-Verträgen, die immer wieder erneuert werden müssen). Das gilt sowohl für hochbezahlte Ingenieure als auch für billige Bauarbeiter aus Indien. Es besteht kaum die Chance, hier die Staatsbürgerschaft zu erwerben, auch wenn man 25 oder 30 Jahre lang dort arbeitet.

Demokratie ist hier ein Fremdwort. Die Scheichs haben das absolute Sagen, im Guten wie im Schlechten. Bei den Bauprojekten ist das natürlich ein enormer Vorteil – so können auch die verrücktesten Ideen umgesetzt werden, ohne dass Einsprachen oder Volksreferenden zu befürchten sind wie bei uns. Der Scheich befiehlt, und ein paar Monate später steht in der Wüste eine Formel-1-Strecke oder ein Vergnügungspark, eine Skihalle, ein Eisrink, eine neue Moschee oder was auch immer. Geld ist stets vorhanden, und das im Überfluss.

Abu Dhabi, die klare Nummer 1

Alles spricht von Dubai, dabei ist das ein Zwerg im Vergleich zu Abu Dhabi, das 67‘000 km2 gross ist, (eineinhalbmal so gross wie die Schweiz!) und fast 90% des gesamten Raumes der VAE abdeckend. Dubai hat dagegen nur gerade eine Fläche von 4000 km2. Nur drei der sieben Emirate fördern Öl (Abu Dhabi, Dubai, Schardscha) die anderen vier sind im Vergleich arme Kirchenmäuse, die aber von einem Finanzausgleich der reichen Staaten profitieren. Als Dubai infolge der internationalen Finanzkrise vorübergehend in Schwierigkeiten geriet, da war der grosse reiche Bruder Abu Dhabi rasch zur Stelle und hat mit den nötigen Milliarden dafür gesorgt, dass die rasante Entwicklung auch in Dubai weiter gehen kann.

Schlau haben die Scheichs auch das Problem mit ihrer Armee gelöst: Ihre «Union Defense Force» ist eine Armee von Freiwilligen, eine Wehrpflicht gibt es nicht. Man unterhält nur eine relativ kleine Truppe von 50‘000 Mann in Heer, Marine und Luftwaffe. Zur Gewährung der militärischen Sicherheit haben sich die Emirate die Zusammenarbeit mit den USA gesichert, indem man den Amerikanern die Nutzung der Flugplätze und die Stationierung von Material erlaubt, und auf Stützpunkte in dieser Region waren die US-Boys schon immer scharf. Oberbefehlshaber ist, wie könnte es anders sein, Scheich Chalifa bin Zayed, der Herrscher von Abudi Dhabi. Und damit auch Dubai mitreden darf, gab man Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktoum (Herrscher von Dubai) den Posten des Verteidigungsministers – so bleibt die Kirche, pardon, die Moschee, im Dorf. Klar, dass die USA der Hauptlieferant an militärischem Material sind, aber auch die Franzosen sind diesbezüglich im Geschäft, insbesondere im Bereich der Marine.

Von allen Emiraten fördert Abu Dhabi mit Abstand am meisten Erdöl und Erdgas, gefolgt von Dubai und Schardscha. Daneben gibt es eine Produktion von Aluminium, Düngemitteln, Zement und anderen Baustoffen. Auch in diesen Bereich ist Abu Dhabi der Koloss, und der Bedarf an Baumaterial ist grenzenlos, wenn man nur schon an die vielen Projekte von künstlichen Inseln vor Dubai denkt. «Palm-Jumeirah» ist praktisch fertiggestellt, die Insel «The World» im Entstehen, und bereits gibt es weitere ähnliche Projekte...

Dubai baut Rekorde

Dubai ist weit mehr in den Schlagzeilen als sein mächtiger Bruder Abu Dhabi. Mit Bauprojekten, die jeden Massstab sprengen. Alles muss höher, grösser und luxuriöser sein, ein endloses Wettrennen um Rekorde. Das höchste Gebäude der Welt steht hier, der Burj Khalifa – benannt zu Ehren des Herrschers von Abu Dhabi (!), der auch Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate ist. Dieser Mann scheint gelassen zuzusehen, wie sich die «Kleinen» um Rekorde balgen. Kaum hatte Dubai seinen über 800 Meter hohen Burj fertig gebaut, kündigte Bahrain die Planung eines solchen von über 1000 Meter Höhe an...

Weil Dubai offenbar nicht genug Land hat, baut man jetzt dort ins Meer hinaus. Von den sagenhaften künstlichen Inseln hat man schon längst gehört. Mit eigenen Augen gesehen haben wir sie allerdings nicht, denn aus unserer Froschperspektive vom Ufer aus sind sie nicht zu erkennen, vom weit entfernten 800-Meter-Turm «Burj Khalifa» aus konnten wir sie nicht sehen, weil es zu diesig war, und unser geplanter Helikopterflug fiel ins Wasser, weil gerade ein Sandsturm wütete und man die Helis diesem nicht aussetzen wollte.

Oman ist anders und traditionell

Oman gehört nicht zu den sieben Emiraten der VAE und hat auch eine ganz andere Vergangenheit. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts hatten rebellische Stämme die Kolonialisten (Portugiesen, 1508-1648) aus dem Land geworfen und sich als selbständige Macht im Osten der arabischen Halbinsel etabliert. Als bedeutender Produzent und Exporteur von Weihrauch (noch heute das Wahrzeichen Omans) brachte es das Land zu Wohlstand – heute ist es das Öl. Omans Herrscher nennen sich Sultane, zur Zeit ist es Qaboos bin Said al Said, und auf seinen Namen trifft man an allen Ecken und Enden, Hafen, Strassen, Plätze, Schulen, Moscheen – alles heisst Qaboos. Und doch, verglichen mit den Emiraten Dubai und Abu Dhabi, wirkt hier alles viel bescheidener und mehr der Tradition verpflichtet. Des Sultans Palast ist nicht überprotzig, die Häuser in der Hauptstadt Maskat dürfen nicht mehr als drei Stockwerke hoch sein, und man baut hier lieber neue Universitäten als rekordverdächtige Wolkenkratzer. Nur die «Sultan Qaboos Grand Mosque», die strahlt Glanz, Reichtum und Grösse aus.

Fritz Kleisli, Februar 2011



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Burj al Arab, Dubai
Grand Mosque, Abu Dhabi
Burj Khalifa, Dubai. Das höchste Gebäude der Welt.
Omans Hauptstadt, Maskat.
Hafeneinfahrt von Maskat, Oman.