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Reisebericht Singapur


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Wundersames Singapur


«Eine Woche in Singapur? Was wollt ihr denn da so lange, da gibts doch nichts zu sehen?!», meinten Freunde vor unserer Abreise. Hatten sie recht? Ja und nein. Singapur ist tatsächlich keine Stadt für Sightseeing wie Rom, Paris oder Luxor. Keine antiken Stätten, keine gewachsene Kultur, ja nicht mal eine erkennbare Altstadt. Aber Singapur bietet dafür etwas, was sie von natürlich gewachsenen Städten unterscheidet: Es braucht sich an keine Traditionen zu halten und kann munter drauflos bauen. Und das tut es denn auch. Ich stelle mir gerade vor, wie bei den Zürcher Baubehörden der Amtsschimmel gewiehert hätte, wenn man ihm ein dreitürmiges Hotel mit einem Schiff und einem Schwimmbad oben drauf zur Baubewilligung unterbreitet hätte...

 

Architektur ist zweifellos ein Schwerpunkt in dieser Stadt, ganz ähnlich wie in Dubai und Abu Dhabi. Mit Glastürmen und Superbauten zeigt man, wie fortschrittlich die Stadt ist. Jüngstes Beispiel ist das Hotel «Marina Bay Sands» mit seinen drei Türmen. Es ist so neu, dass in meinem Reiseführer die drei Türme noch ohne «Schiff» obendrauf abgebildet sind. Wir haben es uns nicht nehmen lassen, drei Tage in diesem Superbau zu wohnen. Die Aussicht aus dem Zimmerfenster im 34. Stock auf die Marina Bay mit den Wolkenkratzern des Central Business District ist phänomenal, und jener aus dem Swimmingpool im 57. Stock – 200 Meter über Boden – unbeschreiblich. Das neue Hotel stiehlt dem Singapore Wheel glatt die Show, das Riesenrad ist bloss 146 Meter hoch.


Einiges gibt es schon zu sehen...


Und was ist nun mit dem Sightseeing? Die meisten Touristen suchen drei Dinge: Shopping, Shopping, Shopping. Und in diesem Punkt ist Singapur ein Dorado. Nirgendwo gibt es mehr Einkaufscenters als hier. Und das in allen Preisklassen. Von H+M-günstig bis spitzenpreisig à la Gucci, Versace und Valentino. Nein, dass pinkfarbige Täschchen für 14'190 Singapur-Dollars haben wir nicht gekauft, aber Eindruck hat es schon gemacht. Im Shoppingtempel der Marina Bay, der sich salopp «Shoppes» nennt, sind 500 Spitzengeschäfte unter einem Riesendach (feinste Architektur!) vereint, eines schöner als das andere, absolute Spitzenklasse, Rolltreppen, Marmorböden, gepflegt bis ins letzte Detail. Und die Kundschaft besteht fast ausschliesslich aus blutjungen Asiaten, die nur eines wollen: kaufen, kaufen, kaufen. Alle sind sie herausgeputzt und nach der neuesten Mode gestylt, es ist ein einziger Wettbewerb um teure Klamotten, Schuhe, Brillen und feine Accessoires. Wir kamen uns in Lumpen gekleidet vor.


Wer nicht nur zum Shoppen nach Singapur gekommen ist, der flaniert dem Singapore River entlang, wo noch ein paar sehr gut gepflegte «Überbleibsel» aus der britischen Kolonialzeit zu sehen sind. Wie zum Beispiel das ehemalige Hauptpostgebäude, aus dem ein prunkvolles Luxushotel wurde, das «Fullerton». Dem Fluss entlang reiht sich Restaurant an Restaurant, in denen man leckere Fischspezialitäten bekommt. Tagsüber beliebt bei den Krawattenträgern aus den Glastürmen im nahegelegenen CBD (Central Business District), abends voller Touristen, die bei angenehmen 27 Grad draussen sitzen und speisen. Beliebter Treffpunkt der internationalen Besucher – auffallend viele Malayen – ist die Marina Bay mit der wasserspeienden Kunstfigur aus Löwe und Fisch, dem «Merlion». Naja.


Das meistbesuchte Quartier, China Town, ist weniger chinesisch als es klingt. Es ist zwar das ehemalige Chinesenviertel, aber (allzu) sehr auf Tourismus gepusht. Die typischen Häuser sind herausgeputzt und bunt gestrichen und wirken so künstlich, dass man sich fragt, ob hier noch Menschen drin wohnen. Und vor lauter Touristen sieht man die Chinesen kaum noch. In der Hauptstrasse des Quartiers reiht sich ein Marktstand an den anderen, es ist eine ganzjährige «Chilbi». Den Touristen gefällts. Natürlich fehlen hier auch die buddhistischen Tempel nicht. Drinnen sieht man dann tatsächlich ein paar Gläubige beim Gebet, aber auch hier mehr kamerabewaffnete Ausländer, die die bunte Pracht im Bild festhalten wollen. Dass im Chinesenviertel ein (wunderschöner) Hindutempel steht, passt zum Folklorecharakter dieses Quartiers. Buddhismus oder Hinduismus, Hauptsache Tempel...


Das munterste Quartier ist Little India. Hier wähnt man sich tatsächlich in Indien. Nicht nur der vielen Inder wegen, die hier wohnen, sondern auch der Läden wegen. Weniger feine Geschäfte als im Zentrum Singapurs, sondern jene bunten, allesverkaufenden Läden, vollgestopft mit Waren bis an die Decke. Wehe dem, der sich in einen solchen Laden verirrt. Die indischen Verkäufer ruhen nicht, bis sie einem ihr gesamtes Angebot unter die Nase gehalten haben. Und wenn man was kauft und den Laden verlassen möchte, dann kommt garantiert das «Und-wie-wärs-mit dem?», und das Bedrängen geht weiter.



Vom sagenhaften Wirtschaftsboom


Sightseeing, schön und gut. Aber eigentlich sind wir nach Singapur gekommen, um der Sache mit dem märchenhaften Wirtschaftsboom, der legendären Sauberkeit und der traumhaft tiefen Kriminalität auf die Spur zu kommen. Man hört und liest ständig davon. Aber wie war eine solche Entwicklung möglich?


Wo vor 200 Jahren noch Sümpfe und Regenwald dominierten, ist ein Wunderland entstanden, im wahrsten Sinne aus dem Boden gestampft. Der Brite Stamford Raffles muss ein todesmutiger Mann gewesen sein, als er von Sumatra her kommend in Singapur an Land ging, um dort einen Handelsposten zu errichten. Damals, 1819, war diese Gegend fest in der Hand von Piraten, die Angst und Schrecken verbreiteten. Aber Raffels schaffte es durchzukommen und seine Handelsstation aufzubauen, und ein paar Jahre später wurde diese der East India Company angegliedert. 1867 erklärten die Briten Singapur zur Kronkolonie, die sie bis zum Ende des zweiten Weltkriegs behielten. Danach wurde Malaysia unabhängig, und Singapur trat aus der malayischen Union aus und wurde selbständig. Und in dieser Epoche, so um 1970, beginnt eine wundersame Entwicklung. Ein Mann namens Lee Kuan Yew (LKY) gründet die «People's Action Party» (PAP) und schafft es, mit dieser eine mächtige Regierungspartei zu bilden, die fortan das Sagen hat und wie eine Diktatur Gesetze erlassen und durchsetzen kann. Wundersam und unerklärlich, wie man in kürzester Zeit die Opposition zum Schweigen bringen und die Mafia aus dem Land werfen konnte. Lee Kuan Yew schaffte das Undenkbare, wie genau, bleibt sein Geheimnis.


Social Engeneering – wie soll das gehen?


LKY nennt sein Werk «social engeneering» und meint damit die Erziehung des Volkes hin zu einem freundlichen Miteinander, ohne aber gleich den Kommunismus auszurufen. Klingt wie eine Utopie, funktioniert aber in Singapur. Dabei ist die Stadt mit ihren rund 5 Millionen Einwohnern ein Schmelztiegel der Rassen: Malayen, Chinesen, Inder, Europäer... alles kein Problem, das friedliche Neben- und Miteinanderleben klappt reibunsglos, die Leute halten sich an die Spielregeln, kein Rauchen in der Öffentlichkeit, kein Littering, kein Vandalismus, keine versprayten Wände, nichts.

Wo die Kriminalität ausgemerzt ist, muss ein gewaltiger Polizeiapparat im Einsatz stehen – sollte man meinen. Aber wir haben in unserer Singapurwoche keinen einzigen Polizisten zu Gesicht bekommen, wir wissen noch nicht mal, wie die aussehen. Und obwohl wir sechs Nächte lang im Zentrum dieser 5-Millionen-Millionenstadt wohnten, hörten wir nie eine Polizeisirene. Wie ist das möglich? Es muss an den Menschen liegen. Gesetze und Verbote gibt es überall auf der Welt, und überall werden sie gebrochen. Hier nicht. Wundersam.

 

So nett, freundlich und diszipliniert wie sich dieses Völklein benimmt, so fährt es auch Auto: vorsichtig und rücksichtsvoll. Der Verkehr fliesst überall, und selbst in den Stosszeiten gibt es kaum Staus. Zumindest keine so extremen wie in Europa. Immerhin: Für dieses Phänomen gibt es eine Erklärung – ganz im Gegensatz zu den Fragen Sauberkeit und Kriminalität – und die sieht so aus: Bevor man in Singapur einen Wagen kaufen darf, muss man eine Lizenz zum Autokauf beantragen. Die kostet dann erst mal ein Vermögen, so 60-70'000 Singapur-Dollar (ca. 50'000 CHF). Diese Summe wird jedes Jahr vom Staat festgelegt, sie variiert je nach Anträgen, ist also ein Marktpreis. Mit der Lizenz in der Hand kauft man dann ein Auto, das aber infolge von Importsteuern doppelt so teuer ist wie bei uns. Und nach zehn Jahren läuft die Lizenz wieder ab, man muss eine neue kaufen. Mit diesem Trick sorgt die Stadt dafür, dass erst mal weniger Autos auf die Strassen gelangen. Und dann kommt das Road-Pricing hinzu. Wer in die Innenstadt will, zum Beispiel in den CBD, den Central Business District, der zahlt seine Maut, die übrigens mit einem raffinierten System vollautomatisch erfasst und abgerechnet wird. So ist Autofahren hier nicht gratis, und offenbar für viele zu teuer. Weniger Autos – das macht den Verkehr flüssig. Und eine grossartige Struktur von öffentlichem Verkehr, vor allem die topmoderne U-Bahn, unterstützt dieses Ziel.

 

...und dann die legendäre Sauberkeit

 

Die Strassen sind blitzsauber. Überall. Obwohl wir jeden Tag unterwegs waren – nicht nur in noblen Gegenden, sondern auch in Little India und in China Town, wie zwei der berühmtesten Quartiere heissen – kein Fetzchen Papier auf den Strassen. Und keine mit Kaugummi verklebten Trottoirs wie bei uns (der Import von Kaugummi ist verboten – so einfach läuft das). Und vor allem keine Zigarettenstummel auf der Strasse. Wir sahen in sechs Tagen keine einzige Kippe rumliegen, einfach unglaublich, wundersam. Öffentliches Rauchen existiert praktisch nicht. Entweder hat es die Regierung geschafft, die Menschen zu Nichtrauchern zu erziehen, oder dann sind alle Singapurer so gesetzestreu und diszipliniert, dass sie ihre Zigarettenstummel nicht auf die Strasse werfen, sondern sie sauber entsorgen. Beides klingt irgendwie unwirklich, ist hier aber Tatsache.

 

Das öffentliche Rauchverbot wird flächendeckend befolgt, und nicht mal in Fünf-sternhotels ist Paffen erlaubt, oder dann so diskriminierend, dass es abschreckt: Ausgestossen und abgeschirmt in der hintersten Ecke des Hotelgartens, stehend, neben einem grossen Aschenbecherkübel, versteht sich. Nichts da mit der genüsslichen Havanna im Ledersofa, mit einem Cognac in der Hand. Das ist ein Szenario aus der guten alten Zeit.

 

Die Frage aller Fragen bleibt im Raum: Wie in aller Welt konnte die Singapurer Regierung ihr Volk dermassen perfekt erziehen, dass es so gesetzestreu und diszipliniert wurde? Die einfachste Antwort wäre: Diktatur! - aber das greift zu kurz, denn Diktaturen mit Kriminalität und Dreck gibt es genug. Es muss also an was anderem liegen – an den Menschen.

 

Die neue Mentalität der jungen Asiaten

 

Könnte der Grund für die wundersame Wandlung eine neue, moderne Lebensauffassung der jungen Generation von Asiaten sein? Als ob sie sich in einer Aufbruchstimmung zu einer neuen Zeitrechnung befänden. Nirgends gibt es so viele junge Menschen wie hier, und alle haben sie den Drang, aus ihrem Leben das Maximum herauszuholen, sich zu entwickeln, wohlhabend zu werden. Das bedingt, dass sie fleissig und zielstrebig sind, sei es beim Lernen, sei es beim Arbeiten. Aber auch, dass sie stolz ein System unterstützen, das wie ein Uhrwerk funktioniert. Diese dynamischen Jungen sind selbstbewusste Individuen, die ihren eigenen Weg gehen wollen und auch können. Ausgestattet nicht nur mit einer hohen Leistungsbereitschaft, sondern auch mit einer Mentalität, die das Gemeinschaftswohl hoch gewichtet, viel höher als wir Westler das tun.

 

Singapurs Erfolge in den letzten drei, vier Jahrzehnten sind offensichtlich und erstaunlich zugleich. Erstaunlich deshalb, weil es hier ja keine Ölquellen oder sonstige Bodenschätze gibt. Also musste dieser kleine Stadtstaat alles über Dienstleistungen erschaffen. Besonders auf dem Finanzsektor hat er Grosses geleistet und schickt sich an, eine führende Rolle im asiatischen Markt zu spielen. Der Reichtum ist hier förmlich zu spüren, alles wirkt erstklassig und gepflegt. Und man hat nicht den Eindruck, dass dafür die Politik verantwortlich ist, nein, es sind die jungen Menschen, die das so wollen. Während bei uns gelangweilte Jugendliche die Hauswände versprayen und sinnlos vandalieren, bauen die jungen Asiaten an ihrer Zukunft. Wir werden sie uns eines Tages als Vorbild nehmen (müssen).


Fritz Kleisli, Dezember 2013

hotelmarinabaysands

Hotel Marina Bay Sands

Hotel Marina Bay Sands mit...

...Swimmingpool auf dem Dach

...und Shopping Center...

...«Shoppes», ein Palast.

Flaniermeile Singapore River.

Ehemals Post, jetzt Hotel.

Hindutempel in ChinaTown.

Little India.

Little India.

Regenwald über Sentosa.

Central Business District.

Fisch und Löwe, der Merlion.

Marina Bay, Kunstmuseum.

Marina Bay, «Shoppes».

Vorplatz zum «Shoppes».

Marina Bay «Shoppes».

Singapore Wheel.

Botanical Garden.

Botanical Garden.

Hochzeit auf dem Sands.

Die junge Generation.

Swimmingpool Sands.