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Reisebericht Südafrika


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Traumhafte Landschaft –
ungewisse politische Zukunft


Die Broschüre unseres Reisebüros begrüsste uns mit einer langen und eindrücklichen Warnung bezüglich Sicherheit: «Tragen Sie keine Wertsachen und keinen Schmuck auf sich, legen Sie alles in den Hotelsafe, verlassen Sie das Hotel nur im Taxi...» und so weiter. Und schon vor der Abreise waren wir ständig gewarnt worden, von Freunden, Bekannten, durch die Medien: Der eine berichtete, dass jährlich Dutzende von Touristen am Tafelberg überfallen werden, die andere, eine in Johannesburg lebende Südafrikanerin, war intensiv auf der Suche nach einem europäischen Land, in das sie auswandern wollte, weil sie die ständige Unsicherheit nicht mehr aushielt. Kein Wunder, dass unsere ersten Tage nach der Ankunft in Kapstadt von Vorsicht geprägt waren.


Inzwischen haben wir unsere eigenen Erfahrungen gemacht. Das Fazit: Für Besucher besteht kein aussergewöhnliches Risiko, sofern man sich im Touristenrayon bewegt.


Für die Einheimischen hingegen sieht die Situation anders aus. In Gesprächen mit den Leuten wird schnell klar, warum sie alle ihre Häuser mit hohen Mauern, Stacheldraht und mit elektrischen Zäunen umgeben: Bei jedem wurde schon ma eingebrochen, oder dann mindestens beim Nachbarn. Und seit dem schottet man sich ab, droht den potenziellen Einbrechern mit Schusswaffen («armed response» steht an fast jedem Haus), hält sich Wachhunde und hofft, dass es einen nicht mehr trifft. In den Aussenquartieren mit den schönen Häusern sieht man kaum je einen Weissen zu Fuss unterwegs: entweder ist man im Haus verbarrikadiert oder dann im Auto unterwegs. Trottoirs gibt es schon gar keine mehr. Als wir nach der Ankunft in unserem Guesthouse in einem Aussenbezirk Kapstadts (am Bloubergstrand) so kurz mal um den Block ziehen wollten – wie wir das für normal halten – da merkten wir schnell, dass wir die weit und breit einzigen waren, die auf der Strasse zu Fuss unterwegs waren. Kein gutes Gefühl. Wir brachen unseren Spaziergang dann ziemlich rasch wieder ab und fuhren nur noch in unserem Mietauto spazieren.


Woher kommt diese
unbefriedigende Sicherheitslage?


Gewiss zu einem grossen Teil davon, dass die Auswirkungen der Apartheid noch längst nicht überwunden sind. Die Trennung zwischen Weissen und Schwarzen ist noch immer überdeutlich, auch wenn die Apartheidsgesetze schon seit 15 Jahren abgeschafft sind (1991). Und obwohl Südafrika eine der modernsten Verfassungen der Welt hat – Theorie und Praxis klaffen weit auseinander, wie man das auch von den USA kennt. Das Gefälle von Reich (=Weiss) und Arm (=Schwarz) ist nach wie vor enorm. Klar dürfen jetzt auch die Schwarzen die Strände betreten, die früher den Weissen vorbehalten waren. Und im gleichen Bus fahren. Nur: Heute fährt gar kein Weisser mehr im Bus, sondern im eigenen Auto. So was wie ein öffentlicher Verkehr ist praktisch nicht mehr vorhanden.


In den Villenvierteln um Kapstadt und Johannesburg ist die Bevölkerung zu nahezu 100% weiss, während die grosse Mehrheit der Schwarzen in Städten lebt, wo so gut wie keine Weissen wohnen. Zum Beispiel in Soweto mit seinen 3.5 Millionen Einwohnern. Auf dem Land, z.B. in den reichen (weissen) Weingebieten rund um Stellenbosch, entstehen ständig wachsende Wellblechhütten-Dörfer, in denen die Schwarzen leben müssen, die auf den Weingütern der Weissen arbeiten. Zwar gibt es inzwischen auch einige schwarze Besitzer von Weingütern, aber für die arbeitende schwarze Bevölkerung hat das keine positive Auswirkung, denn bei den schwarzen Arbeitgebern sind die miesen Löhne auch nicht besser geworden – und so bleiben den Armen dann wie früher die slum-ähnlichen «Bidonvilles» zum Wohnen und zum Überleben.


Soweto – nicht nur Slums


Nun ist es aber auch nicht so, dass die 3.5-Millionen-Stadt Soweto bei Johannesburg ausschliesslich aus Wellblechhütten bestehen würde, wie mancher sich das so vorstellen mag. Nein, Soweto bekommt nach und nach eine Struktur wie jede andere Stadt auch, mit armen, mittelständischen und reichen Vierteln. Die südafrikanische Regierung, die seit 1991 eine schwarze Mehrheit hat, hat sich damals ein hohes Ziel gesetzt: Der Bau von einer Million Backsteinhäuser innerhalb von zehn Jahren. Dieses Ziel hat sie zwar nicht ganz erreicht, aber es enstanden immerhin rund 700‘000 solcher Häuser (mit Wasseranschluss und Elektrizität), und für die kommenden Jahre sind weitere 300‘000 geplant, und die ehemaligen Dreckstrassen sind grösstenteils asphaltiert – Soweto ist heute alles andere als ein Slum.


Nur: Es bleibt eine Stadt für die Schwarzen, und es gibt kaum Anreize für die Weissen, dort hin zu ziehen – wozu sollten sie auch, sie haben sich schon längst aus dem inzwischen den Schwarzen überlassenen Kern von Johannesburg zurückgezogen und sich in den grünen Oasen rund um die Stadt niedergelassen, dort, wo es sich – fast wie in den Parks von Florida – sehr gut leben lässt. Das Ergebnis erstaunt nicht: Weiss und Schwarz sind so getrennt wie eh und je.


Nelson Mandela: 26 Jahre lang
eingekerkert für die Demokratie


Als Mandela 1990 – nach 26 Jahren politischer Gefangenschaft – endlich aus dem Gefängnis entlassen wurde, sagte er am Schluss seiner Rede: «Ich habe gegen weisse Vorherrschaft gekämpft, und ich habe gegen schwarze Vorherrschaft gekämpft. Ich bin stets dem Ideal einer demokratischen und freien Gesellschaft gefolgt, in der alle Menschen friedlich und mit gleichen Möglichkeiten zusammenleben. Für dieses Ideal lebe und kämpfe ich. Aber wenn es sein muss, bin ich bereit, dafür zu sterben.»


War das nur eine Illusion, diese «gleichen Möglichkeiten» für alle Menschen? Wahrscheinlich – und das ist nicht südafrikatypisch – denn für gleiche Möglichkeiten müssten auch die gleichen Grundvoraussetzungen vorhanden sein, und das sind sie nicht, nirgendwo auf der Welt.


Umso beachtlicher ist die Haltung, die Nelson Mandela zeitlebens einnahm, um gegen die weisse Vorherrschaft zu kämpfen. Was dieser Mann alles auf sich genommen hat, ist unfassbar. Ausgerechnet er, der als erster Schwarzer in Johannesburg eine eigene Anwaltskanzlei besass (während der Zeit der Appartheid!), der also ein gutes, bequemes Leben hätte führen können. Aber er ertrug die Ungerechtigkeit einfach nicht und setzte im Kampf dagegen alles aufs Spiel, sogar sein Leben, und nahm es schliesslich in Kauf, ein Vierteljahrhundert lang eingekerkert zu leben, um das System der Apartheid zu sprengen.


Mandelas Gefängnis auf Robben Island
als Tourist erleben


In der Bucht von Kapstadt liegt sie, die berühmt-berüchtigte Gefangeneninsel. In der Zeit der Apartheid diente sie der weissen Regierung als Abstellplatz für politisch Gefangene. Bekanntester Insasse war natürlich Nelson Mandela, der dort von 1964-1982 eingekerkert war. Als Tourist erlebt man dieses Gefängnis hautnah, weil heute ehemalige Insassen als Touristenführer dort arbeiten. Für unsere Gruppe war das ein gewisser Tulani Mabaso, der volle 18 Jahre lang dort «diente», unter katastrophalen Bedingungen wie alle andern. Wenn man hier einem «echten» Gefangenen begegnet – und nicht nur darüber liest oder hört – geht das ganz schön unter die Haut!


Schwarze wurde besonders geplagt, noch mehr als die farbigen Mischlinge und Inder. Fünfzehn Jahre lang mussten sie auf einer hauchdünnen Sisalmatte auf dem Boden schlafen und erfroren dabei fast. Bis endlich 1979 Vertreter der Genfer Konvention erreichten, dass man den Gefangenen warme Kleidung und ein Bett zugestand. Unvorstellbar, was die «Politischen», die ja keine Kriminellen waren, für Strapazen auf sich nahmen, um ihre Ziele zu erreichen.


Mandela erhielt von der weissen Regierung dreimal eine «Offerte», aus der Haft entlassen zu werden, jedesmal lehnte er die Bedingungen ab. Dabei hätte er beim ersten Mal «nur» zustimmen müssen, in eines der Homelands (die die Weissen den Schwarzen zugewiesen hatten) zu ziehen. Er verneinte. Er sei ein Gegner der Regierung, die diese Homelands wolle. Beim nächsten Mal hätte er «nur» der Gewalt abschwören müssen. «Das kann ich nicht, denn wir haben es lange genug ohne Gewalt versucht, jetzt müssen wir diesen Weg weiter gehen, bis unser Ziel ganz erreicht ist».

Interessantes Detail: Während der langen Gefangenschaft hatten die Insassen auf Robben Island eine Art eigene Universität eingerichtet, indem alle ihr Wissen – vor allem natürlich ihr politisches Wissen – an die anderen weiter gaben.


Mit der Zeit wurden auch die (weissen) Wärter des Gefängnisses mit einbezogen. Nach und nach stellten diese fest, dass die Gefangenen keine Kriminellen waren und schlugen sich mehr und mehr auf ihre Seite, halfen mit, Zeitungen und politisches Material, Infos und Mitteilungen zu schmuggeln. So konnten sich die inhaftierten Führer wieder mehr und mehr mit der Basis austauschen und ihre Befehle ausgeben.


Nach 26 Jahren Haft – die letzten acht Jahre verbrachte Mandela in einem Hochsicherheitsgefängnis in Kapstadt – kam er 1990 frei, und mit seiner Freilassung war das Ende der Apartheid besiegelt. Die entsprechenden Gesetze wurden ein Jahr später ausser Kraft gesetzt, und Mandela wurde 1994 zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt – in den ersten Wahlen, bei denen das angestrebte «one man, one vote» für alle galt, auch für die Schwarzen. 1999 übernahm Thabo Mbeki die Präsidentschaft, sie dauert noch heute an.


Mandelas Hauptziel, die Errichtung einer Demokratie für alle Südafrikaner, wurde also erreicht, sie wird jetzt seit 15 Jahren gelebt. Noch ist aber unklar, ob Südafrika damit über dem Berg ist, oder ob es den Weg der übrigen afrikanischen Staaten gehen wird, die in die «Unabhängigkeit entlassen» wurden (wie Zimbabwe, Mosambik). Nach dem Rückzug der Weissen gings dort nur noch bergab...


In der weissen Bevölkerung Südafrikas sind die Meinungen geteilt. Wir fanden sowohl feurige Optimisten, die vom anhaltenden Wirtschaftsboom schwärmten (seit 10 Jahren rund 5% Wachstum pro Jahr) und fest daran glauben, dass es so weiter geht, als auch hoffnungslose Pessimisten, die davon ausgehen, dass der Boom nur dem «schnellen Geld» zu verdanken sei, das im Moment am Kap zu machen ist. Und dann, sagen die Pessimisten, macht man Kasse und verschwindet aus dem Land. Was stimmt? Die Zukunft muss es weisen.


Fritz Kleisli, Februar 2006




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