Zunächst sah es allerdings nicht danach aus, und auch von den «versprochenen» 5 bis 15 Grad Wärme war wenig zu spüren. In den ersten Tagen auf dem Schiff lagen die Temperaturen so zwischen null und drei Grad, und von der Sonne, die angeblich 24 Stunden am Tag (und in der Nacht!) scheinen würde, war wenig zu sehen. Eigentlich gar nichts, denn rund eine Woche lang herrschten Nebel und eine dichte Wolkendecke. Aber dafür kam so das richtige Arktis-Feeling auf, besonders, als die ersten grossen Treibeisfelder auf dem Meer auftauchten. Hätte dazu ein blauer Himmel gepasst? Gewiss nicht!
Trotz der tiefen Temperaturen musste niemand (er)frieren. Denn allesamt waren wir ausgerüstet mit Thermo-Unterwäsche, wasserabweisenden Winterhosen, mehreren Lagen von Fleece, mit Kapuzenjacken, warmen Mützen, Handschuhen und kniehohen Gummistiefeln. Die Arktis konnte kommen!
Das war allen Teilnehmern von Anfang an klar. Die spartanisch eingerichteten und ziemlich engen Kabinen mit Kajütenbetten liessen ein Luxus-Feeling nicht aufkommen. Dazu kam ein fast schon militärisch aufgezogener Tagesablauf, der kaum eine Minute Freizeit vorsah. Tagwacht jeden Morgen um 07.00 Uhr, Frühstück, zurück in die Kajüte, rein in die warmen Sachen, kniehohe Gummistiefel und Schwimmweste montiert, und ab in die Zodiacs zum Landgang. Das gleiche Prozedere dann nochmals am Nachmittag. Klar hätte man auf den einen oder anderen Zodiac-Ausflug verzichten können, schliesslich tat man ja alles freiwillig, aber wer wollte sich schon der Gefahr aussetzen, etwas zu verpassen! Vor und nach den Ausflügen wurden zahlreiche Infotreffs und Vorträge über Fauna und Flora geboten – ein Programm rund um die Uhr.
Die 50 Arktisfahrer und -Fahrerinnen bildeten auf dem Schiff eine grosse Familie von sympathischen Natur- und Tierfreunden – fast alles begeisterte Fotografen. Dazu kam eine hoch motivierte und glänzend ausgebildete Reiseleitung aus drei Wissenschaftlern und Arktiskennern, beste Voraussetzungen also für eine unterhaltsame und aufregende Abenteuerreise in die Welt der Polarbären.
Longyearbyn ist die «Hauptstadt» von Spitzbergen. Hier wohnen und arbeiten knapp 2000 Menschen. Eine Kreuzfahrt war «schuld» daran, dass die Siedlung um 1901 gegründet wurde. Das kam so: Ein amerikanischer Geschäftsmann kreuzte hier in der Gegend rum und fand Gefallen an diesem Fjord. Kurzerhand kaufte er Land und gründete seine Firma für Steinkohle-Abbau. Unschwer zu erraten, wie der Mann hiess: Longyear... (byn ist norwegisch und heisst Stadt). Bergbau wird zwar heute noch betrieben, aber der Tourismus nimmt eine immer wichtigere Stellung ein.
Von Oslo her einfliegend landen wir am späten Abend in Longyearbyn und werden gleich zum Hafen gefahren, wo wir an Bord der MV «Professor Multanovskiy» gehen, unsere Kajüten beziehen und uns einrichten. Noch in der selben «Nacht» (es ist ja taghell, und so wird es auch während unserer ganzen Reise bleiben) beginnt das dichtgedrängte Programm: Zuerst eine Info über die allgemeinen Regeln an Bord, am nächsten Morgen dann die obligatorische Einweisung mit den Schwimmwesten und den Alarmsignalen an Bord, über gutes Benehmen gegen über der Natur und den Tieren an Land, und schliesslich über die Handhabung und den Umgang mit den Zodiacs. Es kann endlich losgehen!
Die «MV Professor Multanovskiy» ist kein echter Eisbrecher, aber ein eistaugliches Schiff der «Eis-klasse A», das heisst, sie kann in Treibeis bis zu Eisdicken von 1 Meter operieren. Gebaut wurde der 2140 Bruttoregistertonnen grosse Kahn 1983 in Finnland. Er diente ursprünglich als Forschungsschiff des russischen Arktis-Instituts von St. Petersburg. Heute wird die «Professor Multanovskiy» für Arktis- und Antarktisreisen eingesetzt und bietet Platz für rund 20 Besatzungsmitglieder und 50 Passagiere. Das Schiff ist 71 Meter lang, 13 m breit und hat einen Tiefgang von nur 4.5 m, weshalb es auch in relativ flachen Gewässern manövrieren kann, was uns vor allem bei Gletscherabriss-Besichtigungen von grossem Nutzen war, konnten wir uns doch diesen bis auf zweihundert Metern nähern.
Alle scheinen gut aufgepasst zu haben bei der Einweisung, alle gelangen wohlbehalten ins Gummiboot und schwingen sich dann gekonnt – Rücken zum Land, wie gelernt – ans Ufer, und dank unseren kniehohen Gummistiefeln sogar trockenen Fusses! Das erste Land, das wir dergestalt betreten, liegt in einer Bucht namens Blomstrand im Kongsfjord. Nun wissen wir auch, warum man uns dringend geraten hat, auf Bergschuhe zu verzichten und auf Gummistiefel zu setzen: das Land ist ein richtiger Pflotsch. Normalerweise ist es ja gefroren (Permafrost), aber jetzt im Sommer taut es langsam auf und versetzt die Tundra in einen veritablen Sumpf! Wir treffen aber auch auf verlassene und verlotterte alte Hütten, die um 1920 herum einigen Abenteurern als Arbeitsstätte und Wohnung gedient hatten. Sie hatten hier versucht – ohne grossen Erfolg – Marmor abzubauen. Von Eisbären weit und breit keine Spur, nur ein einsames Rentier bekommen wir zu Gesicht, und ein paar Küstenseeschwalben finden unseren Besuch gar nicht lustig und attackierten uns im Sturzflug.
Am Nachmittag des 28. Juni besuchen wir die kleine Ortschaft Ny Alesund, es wird die letzte bewohnte Siedlung sein für uns, danach gibt es nur noch Natur (und hoffentlich Bären!). In Ny Alesund steht das Denkmal des wohl berühmtesten norwegischen Polarforschers: Roald Amundsen. Und hier steht auch ein geschichtsträchtiges Überbleibsel aus der Zeit um 1926, als die Luftschiffe «Norge» und «Nobile» von hier aus zum Flug über den Nordpol starteten, teilweise erfolgreich (Amundsen überflog den Pol tatsächlich), teilweise in Katastrophen endend (Nobile): der Ankermast, an dem die Luftschiffe festgemacht wurden. Von diesem Turm mussten die Luftschiffpassagiere auf den Boden runterklettern...
Nach dem Besuch von Ny Alesund gehts wieder an Bord. Das Ziel: der mächtige Kongs-Gletscher. Unser Captain steuert die «Professor Multanovskiy» dicht an den Gletscherabbruch ran, bis auf 200 Meter, wir gleiten an eindrücklichen Eisbergen vorbei, die mal weiss, mal blau leuchten – unerhört eindrücklich. Und rumherum das rotbraune Wasser, das seine Farbe von den Sedimenten des Schmelzwasser bekommen hat. Was für ein Anblick. Und dann der Gletscher selbst! Mit offenem Mund stehen wir an der Reling und staunen nur noch ob der Mächtigkeit und Farbenpracht.
29. Juni. Tagwacht wie immer um 07.00 Uhr. Der erste Blick aus dem Bullauge: Wir sind mitten im Treibeis! Eine völlig neue Erfahrung. Eindrücklich, wie sich die «Professor Multanovskiy» da durch kämpft. Immer wieder rummst es, und der ganze Schiffskörper erzittert. So müssen es damals die Passagiere auf der Titanic erlebt haben. Es geht durch Mark und Bein. Mit dem Unterschied, dass wir wissen, keinen Eisberg gerammt und den Schiffsrumpf nicht aufgerissen zu haben. Wir «verschieben» ja die Eisplatten bloss. Aber wo es Treibeis gibt, kann es auch Eisbären haben...
Noch während wir am Frühstück sind, vernehmen wir über die Bordlautsprecher den ersten Bären-Alarm – jetzt kommt Hektik auf! Alle stürzen in die Kabine und machen sich zodiac-bereit: Warme Kleidung, Schwimmweste, Stiefel, Kameras... Dann gehts im Eiltempo in die Gummiboote. Die Bärin mit ihrem Jungen ist inzwischen hinter einem Hügel verschwunden, wir setzen nach, sehen sie dann von Eisscholle zu Eisscholle springen, kommen aber nicht nahe genug an sie heran. Aus 2-300 Meter Entfernung verfolgen wir sie mit dem Fernglas. Sie mögen allerdings unseren Besuch nicht besonders und lassen sich ins Wasser gleiten – Ende der Vorstellung.
Weiter geht die Fahrt Richtung Norden, dem obersten Zipfel Spitzbergens zu. Geplant ist eine Umrundung der Insel, aber die hereinkommenden Berichte über die Eislage verheissen nichts Gutes:
Nördliche Winde und Strömungen haben polares Treibeis nach Süden gedrückt und verunmöglichen uns die Einfahrt in die Hinlopenstrasse. Rückfragen bei anderen Schiffen, die sich gerade in dieser Gegend befinden, ergeben, dass auch diese im Eis eingeschlossen sind. Damit ist die geplante Inselumrundung für uns in Gefahr.
Jetzt ist guter Rat gefragt! Die Crew entscheidet sich zur Umkehr und krempelt sämtliche gedruckten Reiseprogramme um. Ein Glück, dass sich unsere Reiseleiter so perfekt auskennen, schon bald steht die neue Route. Sie sieht vor, dass wir die Umrundung vom Süden her anpacken, in der Annahme, dass sich bis dahin die Eislage verbessert... Trotzdem dampfen wir nicht gleich drauf los, sondern werden auf dem «Rückweg» in den Süden an verschiedenen Stellen anlanden. Eine erste grossartige Möglichkeit ergibt sich bereits am folgenden Tag:
30. Juni. Auf dem Prins Karls Forland sichtet der Captain von seiner Brücke aus eine Walross-Familie. Unsere Reiseleiter beschliessen, die Zodiacs ins Wasser zu lassen. Alle sind Feuer und Flamme. Die Frage ist nur: lassen uns die Tiere nahe genug an sich ran? Unsere Arktiskenner sind gewievte Taktiker. Sie ordnen an, dass unsere 50-köpfige Gruppe nach der Anlandung mit den Zodiacs in etwa 500 Meter Entfernung geschlossen und sorgfältig auf die Walross-Familie zu geht. Keiner spricht ein Wort, wir bemühen uns, ganz ruhig zu gehen, was nicht einfach ist, denn das Wandern im Geröll am Ufer macht einen beträchtlichen Krach.
Die Phalanx der in einer Reihe vorpirschenden Gruppe macht alle paar Meter einen Halt. Klar, haben uns die Tiere bemerkt. Aber weil wir so gemächlich vorrücken, geraten sie nicht in Panik. Wir kommen ihnen immer näher, bis auf 30, 40 Meter. Sie beäugen uns – und befinden uns für ungefährlich. Auch das dutzendfache Klicken der Kameras stört sie nicht. Im Gegenteil, einige der mutigen Burschen lassen sich sogar ins Wasser gleiten und schwimmen zu unserem Strand hin, um uns näher zu begutachten. Eine unglaubliche Stimmung: Wer beobachtet wen?
Wieder runter in den Süden!
1. Juli. Jetzt steht ein grösseres Stück Seereise vor uns. Vom Prins Karls Forland gehts in einem Zug runter zum Hornsund. Wir fahren die ganze Nacht und erreichen am Morgen unser Ziel: Der Hornsund ist der südlichste Fjord der Insel. Und dann gehts in östlicher Richtung weiter, nächstes Ziel ist die Insel Hopen. Noch bevor wir dort ankommen, begegnen wir erneut Walrossen, diesmal auf dem Treibeis, und kurz danach kommt der lange erwartete
Eisbären-Alarm!
Ein Eisbär wird in ein paar Kilometern Entfernung gesichtet. Kapitän Pruss manövriert sein Schiff sorgfältig und gekonnt mit langsamer Fahrt durchs Treibeis. Erst glauben wir, dass wir den Bär verlieren, denn er springt von Scholle zu Scholle – in beachtlichem Tempo – aber stets von uns weg. Doch auf einmal macht er kehrt und steuert auf uns zu. Irgendwie hat ihn das Schiff neugierig gemacht, vielleicht hat er auch etwas Fressbares gerochen, wer weiss.
Jedenfalls steht er schon bald in voller Grösse vor unserem Bug, wo ein fürchterliches Gedränge herrscht, denn jeder und jede will die beste «Schuss»-Position. Die Kameras klicken wie wild, und schon bald realisiert man, dass man am Bug keineswegs die beste Schussposition inne hat, denn der neugierige Kerl (es ist eine Sie, wie wir inzwischen an der schlanken Kopfform erkennen können) wandert dem Schiffsrumpf entlang nach Achtern, dorthin, wo es so verführerisch nach Essen riecht... Und wir geniessen es, das schöne Tier Auge in Auge zu bewundern.
Es wird stürmisch
Nacht 2./3. Juli. Seit Stunden fahren wir auf offenem Meer in Richtung Norden (Ziel ist Kong Karls Land), und starker Wind ist aufgekommen. Das Schiff rollt ganz bös, aber solange man im Bett liegen und schlafen kann, ist alles halb so wild. Erst beim Aufstehen merkt man, dass man auf wackligen Beinen steht und das dem Magen nicht so gut bekommt. Jetzt noch ein Mittel gegen Seekrankheit zu nehmen, bringt nichts mehr, wir sind schon mitten drin. Einige entscheiden sich, nicht zum Frühstück zu erscheinen, und zu denen gehören wir auch. Wir fühlen uns gar nicht gut. Zum Glück lässt aber der Sturm noch im Verlaufe des Vormittags nach, die See wird ruhiger, und schliesslich ganz ruhig, als wir wieder in den Bereich des Treibeises gelangen. Noch ein Grund mehr, das Treibeis zu lieben!
Eisbären noch und noch
3. Juli. Die Angst, keine Eisbären zu sehen, ist seit gestern definitiv verflogen. Trotzdem werden wieder alle nervös, als schon wieder einer gesichtet wird. Diesmal ist es ein grosses, muskulöses Männchen, wirklich echt fotogen, das da vor unserem Bug herumturnt und sich in allen Lagen ablichten lässt. Ein echtes Highlight! Die Berufsstatistiker an Bord haben inzwischen errechnet, dass das der elfte gesichtete Bär ist. Wir dürfen mehr als zufrieden sein!
Neues Ziel:
Hinlopenstrasse von Süden her
Das neue Ziel unserer Fahrt ist ein altes: Die Hinlopenstrasse, aber diesmal von Süden her. Beim letzten Mal, von Norden, war sie ja «zu», jetzt hoffen wir, dass uns das Treibeis nicht noch einmal einen Streich spielt und wir wieder umkehren müssen...
4. Juli. Diesmal klappt die Durchfahrt. Nur ein paar Tage wärmeres Wetter haben gereicht, damit die Hinlopenstrasse passierbar wurde. Unser Ziel heisst Alkefjellet; dort befindet sich einer der berühmten Vogelfelsen, wo mehr als
100‘000 Dickschnabel-Lummen
brüten. Wir steigen frühmorgens in die Boote und verbringen fast den ganzen Vormittag bei dieser eindrücklichen Kolonie. Die mächtigen Felsen steigen direkt aus dem Meer, und in jeder Nische brüten die Vögel. Interessant: Sie bauen kein Nest, sondern legen ihre Eier einfach auf die Felsvorsprünge. Damit die Eier nicht runterfallen, hat sich die Natur etwas Raffiniertes ausgedacht: Sie sind nicht wie «normale» Eier rund, sondern konisch! So rollen sie nicht den Fels runter, sondern drehen sich gewissermassen im Kreis. Genial.
Auf dem 80. Breitengrad!
4. Juli. Es gibt immer einen guten Grund für ein Fest: Diesmal ist es die Überquerung des 80. Breitengrades. Der nördlichste Punkt unserer Reise ist erreicht! Und von hier aus sind es nur noch genau 1111 km bis zum Nordpol! Als weiterer Höhepunkt taucht plötzlich ein Wal auf. Und zwar nicht irgend ein Wal, sondern einer der sehr, sehr selten gewordenen Grönlandwale. Ein Monster von etwa 18 Metern Länge. Wir verfolgen ihn gebannt und ehrfürchtig. Und hoffen nur, dass nicht auch noch die letzten Exemplare gejagt und getötet werden. Dass er unsere Grillparty mit einem Schlag «zerstörte», sei ihm gerne verziehen.
Noch ein Vogel-Highlight...
5. Juli. Im Nordwesten von Spitzbergen ankern wir vor der kleinen Insel Fuglesangen. Auf der uns abgekehrten Seite befindet sich ein gewaltiges Felsmassiv, in welchem sich die Krabbentaucher aufhalten. Nie und nimmer würde ein «normaler» Tourist diesen versteckten Felsen finden, wir aber haben zum Glück Ornitologen an Bord, die jeden Winkel der Insel kennen. Die Landung mit den Zodiacs erfolgt an einem Geröllstrand, und eine halbstündige Wanderung über eine prächtige Tundra führt uns zu den süssen kleinen Vögeln, die viel besser tauchen als fliegen können.
Wir klettern den Fels hoch, so weit wir kommen, und sitzen dann ruhig da, bis sich die süssen Krabbentaucher zu uns setzen. Zwar steigt von Zeit zu Zeit die ganze Kolonie panikartig und gemeinsam in den Himmel auf – aber nicht wegen uns, sondern dann, wenn sich eine grosse Eismöve, ein Raubvogel, zeigt. Doch schon kurz danach legt sich die Aufregung, die Vögel kehren zurück und besetzen wieder ihren alten Platz im Fels, nur ein paar Meter von uns entfernt. Was für ein Eldorado für uns Fotobegeisterte! Auch die Geräuschkulisse ist einmalig, wenn hunderte von Vögeln zusammen laut kreischend durch die Luft flattern (fliegen wäre echt zu viel gesagt!), ihre Laute erinnern stark an ein Lachen. Vielleicht lachen sie ja die Möven aus, die wieder mal keinen von ihnen erwischt haben...
...und nochmals Gletscher
diesmal vom Zodiac aus. 5. Juli, nachmittags. Nach einem Abstecher zum Smeerenburgfjord werden die Zodiacs heute ein drittes Mal ins Wasser gelassen. Diesmal gibt es keine Landung, aber eine atemberaubende Fahrt in einer Wunderwelt von Eis und Gletschern. Nahe der Abbruchkante entlang, inmitten von transparent türkisblauen Eisbergen, unbeschreiblich schön!
Rentiere und Schmarotzer-Raubmöven
6. Juli. Am Morgen erreichen wir den Istfjord, den grössten Fjord Spitzbergens, und gleichzeitig den Ausgangspunkt unserer Reise. Der letzte Tag ist angebrochen. Noch einmal werden die Zodiacs ins Wasser gelassen, und wir landen beim Alkhornet, einem gewaltigen Bergmassiv, bewohnt von Dreizehenmöven und Eissturmvögeln. Diese Vögel produzieren so viel Dung, dass die Tundra unter dem Berg so grün ist wie sonst nirgendwo. Auf einer gemütlichen Wanderung finden wir erneut jede Menge von hübschen Blumen. Und stossen auf sehr menschenfreundliche Rentiere, die vor uns keinerlei Respekt zeigen. Umsomehr aber vor den grossen, braun-weissen Schmarotzer-Raubmöven. Diese heissen so, weil sie eine besondere Taktik haben, zu ihrem Fressen zu kommen. Wenn immer eine «normale» Möve mit einem Fang vom Meer her zurück kommt, jagen und bedrängen sie diese so lange, bis diese ihre Beute fallen lässt. Schwere Nötigung, würde ein Jurist dazu sagen. Offenbar gibt es das aber auch im Tierreich. Die Schmarotzer-Raubmöve attackiert aber nicht nur Vögel, sondern auch die grossen Rentiere! Allerdings aus einem anderen Grund: sobald die Rentiere in die Nähe der Vogelnester kommen, werden sie von dort verjagt. Wie Stukas stürzen sich dann die Vögel auf die Rentiere, und diese rennen in Panik davon. Ein unvergessliches Schauspiel!
Fritz Kleisli, Juli 2009
>Report zum Ausdrucken in A4 (PDF)