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Reisebericht Panamakanal


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Die technologische Meisterleistung
zwischen Pazifik und Atlantik


Die Schifffahrt hat mich schon immer fasziniert. Nicht umsonst fuhr ich als junger Mann «zur See» (naja, nicht als richtiger Matrose, aber immerhin als Küchenjunge...). Unser Frachter mit Ziel Schanghai musste damals durch den Suez-Kanal, für mich ein gewaltiges Erlebnis – das war 1964.


Seither liess mich der Gedanke nicht mehr los, auch mal den anderen grossen Kanal dieses Planeten, den Panamakanal, zu erleben. Nun hab ich‘s geschafft – vierzig Jahre danach. Damals als kartoffelschälender und scheisshausputzender Messboy, diesmal als verwöhnter Luxus-Passagier. Unterschiedlicher könnte die Welt nicht aussehen...


Viel aufwändiger und komplexer als der Suezkanal


Unterschiedlicher könnten aber auch die beiden Kanäle nicht sein. Währenddem der Suezkanal ein «einfacher» Durchstich durch die trockene Sandwüste ist, handelt es sich beim Panamakanal um eine hoch technologische und komplexe Fahrrinne zwischen dem Atlantik und dem Pazifik in mehreren Stufen und Schleusen. Natürlich war auch der Suezkanal eine gewaltige Leistung gemessen an den technischen Mitteln, die damals zur Verfügung standen. Und dieser Durchstich, der die Umfahrung von Afrika unnötig werden liess, wurde auch weltweit entsprechend gefeiert. Das war 1869 (meine «Eselsbrücke» zu diesem Datum: genau 100 Jahre vor der Mondlandung). Der Erbauer des Suezkanals, der Franzose Ferdinand de Lesseps, war der Held jener Zeit.


Die Franzosen versuchten es als Erste – und scheiterten


Als dann die Idee aufkam, auch die Umfahrung von Südamerika an die Hand zu nehmen, da war natürlich dieser erfolgreiche französische Kanalbauer die erste Adresse. Zehn Jahre nach der Suez-Eröffnung bekam Lesseps auch den Auftrag, den Panamakanal zu bauen. 1881 begannen die Bauarbeiten. Bald zeigte sich aber, wieviel schwieriger die Aufgabe im Regenwald Panamas war – verglichen mit der Sandwüste um Suez. Denn statt Sand, den Lesseps mit seinen eben frisch erfundenen Dampf-Baggern relativ einfach wegschaufeln konnte, fand er auf der Landenge von Panama hartes Gestein vor.


Ganze Berge mussten seine Arbeiter abtragen, und das alles in einem höllischen Klima von Hitze und Feuchte. Das Schlimmste waren nicht mal die harten Felsbrocken, sondern die fiesen Moskitos, die seine Arbeiter in Massen sterben liessen. In den rund 17 Jahren, in denen die französische Kanalgesellschaft versuchte, den Kanal voranzutreiben, kamen über 20‘000 (!) Menschen an Malaria und Gelbfieber um. 1898 gaben die Franzosen auf, am Boden zerstört und in den finanziellen Ruin getrieben.


Die US-Amerikaner übernahmen die Konkursmasse


Nun war es aber nicht so, dass in den 17 Jahren von den Franzosen «nichts getan» wurde, ganz im Gegenteil: Auf der Atlantikseite war immerhin eine 50 km lange Fahrrinne ausgehoben und im felsigen Teil im Landesinnern waren grosse Vorarbeiten geleistet worden. Das war der Moment für die USA. Clever – schon damals – kauften sie den Franzosen die Konkursmasse am Kanalvertrag für 40 Mio Dollar ab. Gleichzeitig stoppten sie die Verhandlungen mit Kolumbien (Panama war bis 1902 eine Provinz Kolumbiens) und wandten sich direkt an Panama mit dem Angebot: «Wenn ihr uns den Kanal bauen lässt, dann sorgen wir dafür, dass ihr von Kolumbien unabhängig werdet».


Das war natürlich für Panama eine verlockende Perspektive. Für den geradezu lächerlichen Betrag von 10 Mio Dollar übergab Panama den USA alle Rechte des Vertrags und dazu das gesamte Land in einer so genannten «Kanalzone» von 50 Meilen Länge und 10 Meilen Breite – «für ewige Zeiten»... (ewig hielt der Vertrag dann allerdings nicht, mehr darüber weiter unten).


Dazu übernahmen die USA die «Pflicht», die Kanalzone «militärisch zu schützen» – im Klartext: die Amerikaner machten aus der Kanalzone einen Truppenstützpunkt. Im Gegenzug hielten sie Wort: Schon 1903 verschafften sie Panama in einem unblutigen Putsch die versprochene politische Unabhängigkeit von Kolumbien. Damit waren die Weichen für den Kanalbau gestellt.


Krieg gegen die Moskitos im Regenwald


Die Amerikaner lernten zunächst nichts aus den Fehlern der Franzosen. Sie begannen die Bauarbeiten mit den selben Problemen: Laufend starben die Arbeiter weg, an Malaria, an Gelbfieber, an Ruhr. Von den geplanten 20‘000 Arbeitskräften fanden sich gerade mal 3‘000 ein, und als die Epidemien weiter um sich griffen, liefen die Überlebenden davon – 1905 mussten die Arbeiten vorerst eingestellt werden.


Erstaunlich: Bis Ende des 19. Jahrhunderts hat man nicht gewusst, dass Malaria und Gelbfieber von Mücken übertragen werden. Ein englischer Arzt fand das erst 1897 in Indien heraus. Das war der Wendepunkt.


Der amerikanische Truppenmediziner William Gorgas, der in der Panama-Kanalzone Dienst leistete, übernahm das Kommando. Bevor weiter gebaut werden konnte, wurde in einer gross angelegten Aktion sämtliche Häuser ausgeräuchert und die Strassen geteert. Alle Pfützen und stillen Gewässer, die den Mücken als Brutstellen dienen konnten, wurden ausgetrocknet oder mit Kerosin bedeckt. Das machte man auch mit Trinkwasserfässern (oben drauf eine Schicht Kerosin, damit die Mückenlarven keine Chance zur Entwicklung haben). Nach einem halben Jahr intensivstem Kampf war die Schlacht gewonnen, und von da an bewegen sich die Erkrankungsraten für Malaria und Gelbfieber in tragbarem Rahmen. 1906 konnten die Bauarbeiten fortgesetzt werden.


Ein neuer Kanaltyp musste her – mit Schleusen


So erfreulich der Sieg über die Moskitos auch ist – bautechnisch war man am Anschlag. Jetzt zeigte sich, dass der bisher verfolgte Plan eines Kanals auf Meereshöhe (einfache Verbindung des Atlantiks mit dem Ozean) nicht realisierbar war.


Neue Pläne mussten her, ein Kanal über Treppen. Schleusen hiess das Gebot der Stunde. Aber für Schleusen brauchet es gewaltige Wassermengen. Das Problem wurde mit einer riesigen Staumauer gelöst, die den Fluss Chagres staute. Daraus entstand der Gatun-See, der zweitgrösste Stausee der Welt.


Auf der Atlantikseite wurden drei Schleusen geplant und gebaut, die die Schiffe um 26 Meter über Meereshöhe hieven, das heisst auf den Level des Gatun-Stausees. Ein technologischer Gewaltakt. Aber es wurde sehr seriöse Arbeit geleistet, denn noch heute funktionieren die 1914 fertiggestellten Schleusen einwandfrei!


Modernisiert hat man in den letzten 90 Jahren nur gerade den Antrieb der Tore. Auch auf der Pazifik-Seite wurden drei Schleusen gebaut, und auch dort musste ein zusätzlicher See her, der Miraflores Lake, der für genügend Wasser zu sorgen hat. Für jede Schleusenfüllung werden rund 200 Mio Liter Süsswasser verwendet, die letztlich im Meer landen.


Erstaunlich die Weitsicht der damaligen Planer und Bauer


Die Schleusen sind alle rund 300 Meter lang und 33 Meter breit. So gross, dass auch Riesenkreuzer heutiger Dimensionen noch durch den Kanal kommen. Andersrum geht auch: Unsere «Coral Princess» wurde ganz genau auf die Maximalmasse der Panama-Schleusen ausgerichtet. Länge 294 Meter, Breite 32.2 Meter. Da bleiben links und rechts nicht einmal mehr 50 Zentimeter Spielraum!


Damit das Schiff bei der Schleusendurchfahrt nicht anschlägt, wird es von sechs bis acht schweren Diesel-Lokomotiven und Stahlseilen stabilisiert. Die Loks ziehen das Schiff nicht (dieses fährt mit eigener Kraft), sie geben nur den nötigen Halt.


Ganze Bergzüge mussten abgetragen werden


Währenddem der Schleusenbau höchste Ansprüche an die Techniker stellte, war der aufwändigste und arbeitsintensivste Teil des ganzen Kanalbaus die Abtragung des Bergrückens («Culebra»), der sich parallel zur Pazifikküste erstreckt, und der zum Teil aus hartem Fels besteht.


Ursprünglich rund 100 Meter über Meer, musste er auf einer Länge von 13 Kilometern auf den Wasserspiegel des Gatunsees abgetragen werden. Während sechs Jahren arbeiteten rund 7‘000 Männer an diesem Projekt, unterstützt von 60 Baggern und 160 Zügen, die das herausgeschlagene oder herausgesprengte Material auf mehreren Stufen abtransportieren. In den historischen Bildern (Schwarz-weiss-Aufnahmen links) kann man das sehr schön erkennen (sie stammen aus dem historischen Bildband von U.Keller, «The Building of the Panama Canal in Historic Photographs»).


Ende 1913 waren alle Arbeiten am Kanal und an den Schleusen abgeschlossen und der Gatunsee geflutet. Die Eröffnung fand im Januar 1914 statt, und als grosses Spektakel wollten die Amerikaner noch in jenem Jahr ihre Kriegsflotte durch den Kanal schicken, aber der erste Weltkrieg verhinderte diese militärische «Feier».


Übergabe des Kanals an Panama im Jahre 2000


Bis zum 31. Dezember 1999 wurde der Kanal von den Amerikanern betrieben und verwaltet. In einer Vereinbarung zwischen den USA und Panama von 1979 war vereinbart worden, dass die Verwaltung in einem Zeitraum von 20 Jahren sukzessive an Panama übergehen solle. In diesen zwei Jahrzehnten wurde das Personal nach und nach «ent-amerikanisiert», und heute arbeiten zu über 90% Panamesen in der Kanalverwaltung. Tausende von US-Bürgern, die in der «Kanalzone» geboren wurden und dort aufgewachsen waren, mussten sich eine neue Heimat suchen, für viele ein tragisches Schicksal. Der Kanal gehört seit dem 1. Januar 2000 vollumfänglich Panama.


Heute ein einträgliches Geschäft


Vor dem Kanalbau musste ein Schiff, das z.B. von Ecuador nach Europa wollte, rund 8000 km «Umweg» über die Südspitze Südamerikas in Kauf nehmen – eine mehrwöchige Reise! Mit dem Panamakanal fiel diese gewaltige Strecke weg, und das ist auch der Grund, warum ziemlich happige Gebühren für eine Durchfahrt verlangt werden können. Pro Jahr benutzen im Schnitt 14‘000 Schiffe den Kanal, und diese entrichten – ebenfalls im Schnitt – rund 50‘000 Dollar pro Durchfahrt.


Für ein Kreuzschiff in der Grösse «unserer» Coral Princess müssen schon mal locker über 100‘000 Dollar hingeblättert werden. Der Kanal, der früher als Nonprofit-Organisation verwaltet wurde («im Dienste der ganzen weltweiten Schifffahrt», wie es damals hiess), ist heute ein rentables Geschäft für die Panamesen, die mit den Kanaleinnahmen einen beträchtlichen Teil ihres Staatsbudgets bestreiten.


Das achte Weltwunder?


Mit 81 Kilometern Länge ist der Panamakanal zwar nur halb so lang wie der Suezkanal (163 km), aber seine Erstellung war wesentlich aufwändiger. Insgesamt sollen rund 200 Millionen Kubikmeter Erde und Fels bewegt worden sein. Unter dieser Zahl kann ich mir zwar nicht viel vorstellen, aber interessant daran ist das Verhältnis: Die Franzosen bewegten bei ihrem ersten gescheiterten Versuch 23 Mio Kubik, die Amis dann bei ihrem erfolgreichen Unternehmen weitere 177 Mio.


Es muss ziemlich viel sein, denn heute reklamieren die amerikanischen Broschüren ihren Panamakanal als «achtes Weltwunder» und begründen das damit, dass sie zehn mal mehr Erde bewegt hätten als die alten Ägypter beim Bau der Pyramiden...


Bei allem Respekt vor der gewaltigen Leistung beim Bau des Panamakanals: Müsste man nicht einen kleinen Unterschied machen, ob man eine bestimmte Menge Dreck abschaufelt und irgendwo deponiert, oder ob man wie im Alten Ägypten mit Millionen von immensen Felsblöcken, die zentimetergenau behauen werden mussten, eine zum Sternbild passende kunstvoll und geometrisch makellos aufgeschichtete Pyramide erbaut, die erst noch die Jahrtausende überdauert? Naja, vielleicht nicht. Ich war und bin auch vom Kanal tief beeindruckt.


Fritz Kleisli, Februar 2005



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