Webdesign. Fotografie. Werbung. Reisen.
webfritz.ch

Reisebericht Schottland 2003


>Fotogalerie Edinburgh 2011

 

 

Burgen, Kilts und Whiskey...


Über Schottland wissen wir doch schon alles: Die Babies werden mit Whiskey gestillt, die Männer tragen Röcke, die Leute residieren alle in Castles und im Loch Ness wohnt ein Seemonster. Nur: Das alles zu wissen reicht natürlich nicht, das muss man doch alles selbst mal sehen und erleben! Soviel zur Frage, was wir denn in Schottland wollten.


Unsere hübschen Schottland-Clichés wurden dann rasch und arg zerzaust. Dass die Leute nicht in Burgen und Schlössern wohnen und keine Röcke tragen, okay, davon gingen wir aus. Aber eine ganze Reihe anderer Dinge war dann doch erstaunlich anders und hatte zur Folge, dass wir unsere Schottland«kenntnisse» ziemlich revidieren mussten.


Wer weiss schon, das Whiskey ursprünglich nicht aus Schottland stammt, sondern aus Irland? Das Wort Whiskey soll gälisch sein und «lebendiges Wasser» heissen... haben wir das nicht schon auf der Wolga mit dem russischen Wort Wodka gehört? Passt doch!


Und wie war das noch mit den geizigen Schotten? Wer die Whiskey-Preise in Schottland kennen lernt, der bekommt diesbezüglich so seine Zweifel: Ein guter «Scotch» kostet hier etwa das Doppelte wie der Schweiz! Wie sich das ein «geiziger» Schotte leisten soll, bleibt deren Geheimnis. Ein Barkeeper hat uns das so erläutert: «Wenn ein Schotte mal Geld hat, dann gibt er es einfach aus. Wies danach weitergehen soll, zeigt sich dann schon irgendwie...».


Besonders kostspielig sind die Single Malt Whiskeys, und die sind zur Zeit auch voll im Trend. Für jene, die nicht genau wissen, was ein Single Malt Whiskey ist, hier ein paar Erläuterungen (vor ein Paar Wochen wusste ich das natürlich auch noch nicht. Das hindert mich aber keineswegs daran, jetzt so zu tun, als ob ich schon immer ein grosser Kenner der Materie gewesen wäre. Und da Reisen ja bekanntlich bildet, drängt es mich, dieses Wissen weiterzugeben). Also:


Crashkurs über Single Malt Whiskey...


Malz (engl. Malt) ist kein Getreide, sondern bezeichnet lediglich die Art der Verarbeitung von Getreide, oder anders ausgedrückt: Getreide wird vermalzt. Der schottische Whiskey wird aus Gerste gewonnen. Die Gerste wird einige Tage in Wasser eingelegt und beginnt zu keimen. Dann wird sie mit Torf beheizt (das Torffeuer sorgt gleichzeitig für den whiskeytypischen Geschmack) und getrocknet, gemahlen und erneut mit Wasser vermischt, ein zuckerhaltiger Brei entsteht. Diesem wird Hefe wird zugegeben, und es entsteht Alkohol. Dann erfolgt die Destillierung in riesigen kupfernen Anlagen, je nach Whiskymarke bis zu dreimal.


Was aber ist ein «Single Malt»? Darunter versteht man einen Whiskey, der aus einer einzigen Gerstensorte gewonnen wird , dies im Gegensatz zum «blended» Whiskey, der aus bis zu 40 verschiedenen Malz- und Getreidesorten zusammengestellt wird. Alle «grossen» Marken, die bei uns berühmt sind , z.B. Ballantines, Black&White, Johnny Walker etc. sind «blended» Whiskeys. Ein Singlemalt dagegen trägt den Namen des Ortes, in dem er produziert wurde, zum Beispiel Oban (Westküste) oder Tobermory (Highland-Insel).


Der meistexportierte Scotch ist der Glenfiddich, der in den USA meistgetrunkene ist der Macallan. Nach vielen Degustationen fanden wir den Jameson am besten – und der stammt aus Irland! Was Wunder, die Iren haben das Zeug ja erfunden...


Kein Nessy – eine Enttäuschung mehr...


Auf der Suche nach dem Monster im Loch Ness kam ich mir vor wie damals, als ich mühseligst und in stundenlangem nächtlichem Aufstieg zum Mount Sinai hochkletterte, um dort Gott zu begegnen. Auf diesem Gipfel in der Wüste des heiligen Landes bekam ja bekanntlich Moses vom Grossen Herrn die zehn Gebote diktiert. Unnötig zu sagen, dass ich den lieben Gott nicht antraf. Mit dem Nessy gings mir leider ebenso. Weit und breit kein Schwanz zu sehen. Ein kleiner Trost, dass es alljährlich Millionen von Besuchern gleich geht.


Im sechsten Jahrhundert soll Nessy zum ersten und letzten Mal von einem Mönch gesichtet worden sein, seither ist Funkstille. Nur einmal noch kam Hoffnung auf: Mitte des letzten Jahrhunderts gingen Fotos um die Welt, die einen Hals und einen Kopf eines saurierähnlichen Tiers zeigten. Blöd nur, dass der Fotograf Jahre später auf dem Totenbett gestand, das Bild gefälscht zu haben... Trotzdem, der Ausflug zum Loch Ness musste einfach sein, was wäre eine Schottlandreise ohne einen Blick auf diesen eindrücklichen See, der Tiefen bis zu 280 Meter aufweist? Vielleicht versteckt sich Nessy ja doch dort unten...? Die Hoffnung bleibt.


Wer weiss, wo die Hochlandrinder
und die Puffins sind?


In keinem Schottlandbuch fehlen sie, die süssen kuscheligen Kerle mit ihrer zottigen Haartracht. Aber wenn man sie dann sucht, dann sind sie fast so selten wie Nessy. Auf unserer langen Reise der Westküste entlang ins Highland fanden wir Tausende von Schafen und «normalen» Rindern und nur gerade mal zwei kleine Familien unserer Zottelviecher, eine davon auf der Hebrideninsel Skye. Sie sind wirklich süss, diese Kuscheltiere mit den weitausladenden Hörnern, und man wundert sich, dass sie überhaupt etwas sehen durch ihre Dauerwellen. Der Beweis, dass wir sie angetroffen haben, liegt in Bildform vor.


Von den Puffins können wird das nicht behaupten (das sind diese niedlichen Papageientaucher-Vögel mit den grossen, farbigen Schnäbeln), von denen es angeblich Millionen gibt. Aber von diesen wurden wir einmal mehr verarscht. Schon in Island waren sie «schon weg», als wir ankamen, und jetzt genau so in Schottland. Obwohl immer noch Ausflüge zu kleinen Inseln angeboten werden, auf denen sie «normalerweise» nisten. Aber nein, «zur Zeit sind sie fort», hiess es. Ja wohin denn? Das konnten uns auch die Organisatoren solcher Inselexkursionen nicht sagen. Wir bleiben dran. (Gefunden!)


Schottenmuster ist nicht Schottenmuster


Den Schottenrock gibt es tatsächlich noch, und wir haben ein paar echte Männer gesehen, die ihn trugen – bei einer Hochzeit. Eindrücklich, muss man zugeben. Es geht ja dabei nicht nur um den Rock, es ist eine ganze «Ausrüstung» damit verbunden, da muss alles stimmen. Von den Schuhen über die richtigen Strümpfe bis hin zum Kittel und dem obligatorischen Täschchen aus Fell auf dem Bauch.


Dabei haben wir auch noch erfahren, dass der Kilt nicht irgend ein «Schotten-muster» hat, sondern dass diese Karos (Tartans heissen sie) von Clan zu Clan verschieden sind und wie ein Wappen getragen werden. Wer keinem Clan angehört, der trägt immerhin das richtige Muster seines Districts. Das muss ich meinen Golf-Freunden mal klar machen, die einfach so ein paar karierte Hosen kaufen und von nichts eine Ahnung haben! Also Arvid, René, Peter: Tragt doch wenigstens das Muster von Bonstetten oder Urdorf, wenn ihr auch nur ein bisschen etwas auf euch hält!


Übrigens: Im 17. Jahrhundert war den unterdrückten Schotten das Tragen eines Kilts von den Engländern unter Androhung der Todesstrafe verboten worden! Das hat sich gründlich geändert, inzwischen tragen auch englische Spezialeinheiten ihren Kilt. Mit dem richtigen Karomuster des Regiments, versteht sich.


Highlands – traumhafte Landschaft


Im unteren Teil sieht Schottland etwa aus bei uns das Appenzell: weiche Hügel, gepflegte Felder, grüne Wälder. Schön, durchaus, aber (für uns) nicht besonders aufregend.


Im Hochland dagegen erwartete uns eine völlig andere, noch nie gesehene Welt. Berge in violett! Bei näherer Betrachtung merkt man, dass das nicht die Farbe des Gesteins ist, nein, diese Berge sind über und über mit Heidekraut bedeckt (Heather). Dieses erinnert in der Farbe an «unsere» Erika, ist aber viel kräftiger und dichter, so dicht, dass man problemlos darauf gehen kann! Hunderte von Quadratkilometern, unüberblickbare Felder, vom Bergfuss bis rauf zum Gipfel, voll von diesem Erikaheidekraut überzogen, das im Sonnenlicht intensiv leuchtet (falls denn mal die Sonne scheint... wenigstens dieses Cliché von Schottland scheint zu stimmen: Meist ist der Himmel trüb und grau, wir erwischten mal da und dort einen Sonnenstrahl und waren damit zufrieden).


Unsere Reise – von Schloss zu Schloss


Nur einmal mussten wir in einem Mariott-(Golf!)hotel übernachten, sonst waren wir stets standesgemäss in Schlössern oder Country Houses untergebracht. Unsere Route hatten wir im voraus festgelegt, in Zusammenarbeit mit dem Reisebüro. Unsere halb-antiken «Hotels» standen meist in kleinen Ortschaften, und es war nicht immer leicht, sie auf der Karte zu finden... und schon gar nicht auf der Strasse!


Das Linksfahren erleichterte die Arbeit dabei auch nicht gerade, man muss höllisch aufpassen, dass jahrzehntelange Reflexe des Rechtsverkehrs nicht mit einem durchgehen. Vor allem auf einspurigen Strassen, auf denen einem eine Viertelstunde lang kein Auto begegnet und plötzlich kommt einem eines entgegen. In diesem Moment ist dann der Impuls gefragt, sich an die linke Seite zu drücken – nicht ganz einfach.


Einspurige Strassen gibts noch und noch, vor allem auf den kleinen Hebriden-Inseln. Diese sind dann auch als «One Track Roads» gekennzeichnet und weisen alle 100 oder 200 Meter eine Ausbuchtung aus, an der zwei Autos kreuzen können, sofern das eine davon anhält. Mitdenken und vorausplanen ist angesagt: man muss diese «Passing Places» stets im Auge behalten – falls man sie trotz Kurven oder Hügeln überhaupt sieht – und sonst halt einfach sehr langsam fahren und sich vorstellen, dass einem einer entgegenkommt. Beim Kreuzen wird jedesmal mit freundlichem Handzeichen gedankt. Auf diesen Strassen erreichten wir einen Schnitt von etwa 30 Kilometern die Stunde, dafür hat man was von der herrlichen Landschaft.


Unsere Reise führte von Edinburgh aus gegen Westen. Die erste Nacht verbrachten wir in einem kleine Nest mit gleichnamigem Schloss: Airth (nur auf einer Detailkarte zu finden!). Eine Mischung aus Burg und Schloss, und als wir dort ankamen, war gerade ein gediegenes Hochzeitsfest im Gange. Mit allen Schikanen und Dudelsäcken und Trommlern und Pfeifern, und selbstverständlich trug der Bräutigam einen Kilt, und alle männlichen Gäste, die was auf sich hielten, natürlich auch, nur die Braut, die trug ein hundskomunes langes Brautkleid, wie überall auf der Welt.


Dann gings weiter nach Westen, nach Oban, wo wir im Kimberely residierten, einem hübschen kleinen Schlösschen mit Rundtürmen, mit Park und englischem Rasen und Himmelbett und allem, was man sich so vorstellt. Wunderschön auf einer Anhöhe gelegen, mit Sicht auf den Fischerhafen. Sehr romantisch.


Mit der Fähre zu den Hebriden-Inseln


Von Oban gings mit der Fähre in einer knapp stündigen Fahrt auf die Hebriden-Insel Mull. Mit Rollkragenpullis und Jacke gerade noch zu ertragen. Unser Druimard Country House am oberen Ende der Insel entsprach allen Clichés, die man von einem Country House hat, Steinfassade, kalt, winzige Zimmer, knarrende Böden, Plüschsofas, Bibliothek, Teezimmer und so weiter, eng, aber gemütlich. Unser Kaff auf Mull hiess Dervaig und lag ganz in der Nähe von Calgary. Von diesem Calgary aus waren vor ein paar hundert Jahren jene Leute eingeschifft, die dann in Kanada das heute weltberühmte Calgary gegründet haben. Klar, dass wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten, das «richtige» Calgary kennen zu lernen. Und dort könnten wir ja sicherlich auch ein gutes Lokal für unser Abendessen aussuchen – dachten wir...


20% der Einwohner von Calgary...


Für die 12 Meilen Fahrt waren wir etwa eine Stunde unterwegs, so schmal und verlottert war die Strasse dorthin. Endlich sahen wir die Ortstafel Calgary. Wir fuhren und fuhren, fanden aber kein Dorf. Da mal ein Haus, später noch eins, und dann waren wir raus aus Calgary. Wir drehten um und zählten die Häuser nochmals. Fünf dürfte stimmen. Wir dachten: die Leute müssen von ihrem Calgary gründlich die Nase voll gehabt haben, dass offenbar alle in Richtung Kanada flohen...


Zurück in Dervaig konnten wir uns dann verpflegen. An der Bar trafen wir zwei junge Männer. Eigentlich verstanden wir sie kaum mit ihrem insel-schottischen Dialekt, aber was wir rausbekamen war: Einer davon wohnte in Calgary! Damit kennen wir 20% der dortigen Bevölkerung...

Höhepunkt der Insel Mull ist der Fischerhafen Tobermory mit seinen hübschen farbigen Häusern und der – natürlich – gleichnamigen Whisky-Brennerei. Logisch, dass dort der Single Malt Tobermory gebraut wird. Was ein Single Malt ist, wissen wir ja alle.


Von Mull brachte uns die Fähre zunächst wieder ans Festland, wo wir der Westküste entlang gegen Norden steuerten, Ziel eine weitere Hebriden-Insel: Skye. Auf Skye lachte uns die Sonne, gerade rechtzeitig, denn hier ist die Landschaft unbeschreiblich schön (Betonung auf unbeschreiblich, also lass ich’s), und dort fanden wir auch endlich unsere lange gesuchten Hochlandrinder mit ihrem Zottelmähnen – ein Erlebnis der besonderen Art: Wir trafen unsere Viecher auf einer moorähnlichen Weide, getrennt durch ein zwei-Meter-Flüsschen, und da standen wir nun und begafften uns gegenseitig mit grösstem Interesse...


Von Skye gings noch weiter in den Norden, nach Dingwall, und der Weg dort hin führte uns wirklich durchs Hochland. Traumhafte erikabedeckte Bergzüge, immer wieder kleine Seen, Wälder, wenig Menschen, kaum Verkehr, Natur pur. In Dingwall hiess unser Zuhause Tulloch Castle, klar, was denn sonst. Ein herrlich gepflegtes Schloss, stolz über der Stadt thronend, wie es sich für eine Burg gehört.


Dingwall war auch unser Ausgangspunkt zum Loch Ness. Über das zur Zeit gerade verhinderte Nessy haben wir schon berichtet, dafür wurden wir mit einer zauberhaften Burg (Urquart Castle) entschädigt, die zum gedanklichen Abschweifen zurück ins Mittelalter verleitete. Diese Burg war ein jahrhundertelanger Zankapfel zwischen den Schotten und den Engländern, und am Schluss gab es keinen Sieger, denn die tapferen Ritter von Urquart waren stolze Schotten und jagten die Burg in die Luft, damit sie den Engländern nicht in die Hände fiel. Die Ruinen verströmen aber noch immer diesen gewissen kriegerischen Touch.


Wo die Königin von England wohnt


Die nächste Station war Kildrummy Castle, das in der Gegend liegt, wo die englische Königin ihre Sommerresidenz hat: Schloss Balmoral, wo auch die kürzlich verstorbene und 101 Jahre alt gewordene Königinmutter aufgewachsen ist. Die Gegend ist wahrlich nicht schlecht ausgesucht für eine Königssippe, denn hier finden sich die herrlichsten Wälder und Jagdgründe, die man sich nur denken und wünschen kann. Schloss Balmoral war aber weiträumig abgesperrt, mit viel Geschick würde man von einem bestimmten Winkel aus einen Turmspitz zu sehen bekommen. Aber uns Demokraten interessierten dann diese königlichen Gemächer doch nicht so gewaltig. Wer sie unbedingt sehen muss, der kann zwischen April und Juli hierher kommen, dann steht das Schloss zur Besichtigung dem Publikum offen.


Unsere letzte Etappe führte der Ostküste entlang von Aberdeen via Stonehaven (mit der wahrscheinlich attraktivsten Burg, die auf einem gewaltigen Felsen im Meer draussen steht, umgeben von Steilküsten), Dundee, Perth und zurück nach Edinburgh. Und von dort gings mit der British Airways via London nach Zürich.


Apropos British Airways: Vom neuen Oneworld-Partner der Swiss waren wir nicht gerade angetan. Schnippisches Personal, Verspätungen ohne Ende, und auf beiden Wegen – von Zürich nach Edinburgh genauso wie von Edinburgh nach Zürich (!) – brachten die es fertig, ohne unsere Koffern anzukommen. Ein Schotte würde wohl dazu sagen: «Typisch Engländer. Es gibt einfach nichts, was die können...».


Fritz Kleisli, September 2003